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Epidemiologisches Bulletin 17 | 2020 Online vorab: 15. April 2020
Erläuterung zu den verwendeten Daten Es besteht ein großes Interesse daran das aktuelle Infektionsgeschehen und die zeitnahe Entwicklung von SARS-CoV-2-Infektionen und Covid-19-Erkrankungsfällen in Deutschland darzustellen und zu verstehen. Naturgemäß kann niemand die tatsächliche Anzahl der heute oder in der vergangenen Woche erfolgten Infektionen genau wissen oder bestimmen. Erst wenn die betroffenen Personen positiv getestet wurden, kann deren Anzahl in einem Erhebungssystem erfasst und analysiert werden. Ganz allgemein gilt jedoch, dass nicht alle infizierten Personen Symptome entwickeln, nicht alle die Symptome entwickeln suchen eine Arztpraxis auf, nicht alle die zum Arzt gehen werden getestet und nicht alle die positiv getestet werden, werden auch in einem Erhebungssystem erfasst. Außerdem vergeht zwischen all diesen einzelnen Schritten eine gewisse Zeit, so dass kein Erhebungssystem, und sei es noch so gut, ohne zusätzliche Annahmen und Berechnungen eine Aussage über das aktuelle Infektionsgeschehen machen kann. In Deutschland werden gemäß der Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) Infektionen mit SARS-CoV-2 von den Ärzten und Laboren an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet und von diesen über die zuständigen Landesbehörden an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt.
Zum aktuellen Datenstand (13.4.2020, 00:00 Uhr) lagen 123.016 SARS-CoV-2-Fälle vor. Darunter waren 59.306 (48,2%) Männer und 63.287 (51,5%) Frauen. Bei 420 (0,3%) weiteren Fällen war das Geschlecht entweder divers, nicht erhoben oder nicht bekannt. Der Altersmedian lag bei 50 Jahren (Interquartilsabstand [IQR]: 33–62 Jahre), zu 201 Fällen lagen keine Altersangaben vor. Trägt man die Fälle nach dem Datum des Eingangs am RKI auf, so ergeben sich die Kurven in Abbildung 1. Insgesamt wurden von den Gesundheitsämtern bis zu 6.000 Fälle pro Tag an das RKI übermittelt, in den letzten Tagen weniger – möglicherweise aufgrund der Osterfeiertage. Eine getrennte Darstellung dieser Entwicklung nach Geschlecht und Altersgruppen zeigt vor allem eine deutlich ansteigende Anzahl von neuen Erkrankungsfällen in der Altersgruppe (80+).
Die dem RKI von den Gesundheitsämtern täglich übermittelten Fälle spiegeln, wie oben ausgeführt, nicht direkt das aktuelle Infektionsgeschehen wider. Der zeitliche Verlauf des aktuellen Infektionsgeschehens wäre am besten durch die Anzahl der täglich erfolgten Infektionen darstellbar. Der genaue Infektionszeitpunkt ist aber in den allermeisten Fällen nicht bekannt oder ermittelbar.
Imputation von fehlenden Werten zum Erkrankungsbeginn Um die aktuelle Entwicklung der SARS-CoV-2- Epidemie darzustellen ist daher das Erkrankungsdatum (Datum des Symptombeginns) der am besten geeignete und aus den Meldedaten zur Verfügung stehende Parameter. Der Erkrankungsbeginn wurde bei 76.914 (62,5%) Fällen von den Gesundheitsämtern angegeben. In manchen Fällen einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion entwickelt sich ein asymptomatischer Verlauf, so dass es nie zu einem Erkrankungsbeginn kommt. Trotzdem wird auch diesen Fällen in Rahmen unserer Analyse ein künstlicher Erkrankungsbeginn zugeordnet, sie werden behandelt, als handele es sich um eine fehlende Angabe des Erkrankungsbeginns.
In 522 Fällen war der zeitliche Abstand zwischen dem Datum der Übermittlung an das RKI und dem Erkrankungsbeginn negativ oder lag über 30 Tage* . Diese Fälle wurden bei der nachfolgenden Analyse und der Imputation des Erkrankungsbeginns nicht miteinbezogen. Als Verfahren für das Ersetzen dieser fehlenden Angaben wurde eine sogenannte multiple Imputation durchgeführt,1 bei der die fehlenden Datenwerte aufgrund der statistischen Zusammenhänge der bekannten Daten geschätzt werden. Als wichtigste Angabe zur Ermittlung des fehlenden Erkrankungsbeginns wurde dabei das Datum des Eingangs der Fallmeldung am RKI verwendet, die fehlenden Werte wurden getrennt nach Geschlecht und Altersgruppe geschätzt. Die Verteilung der Dauer zwischen Erkrankungsbeginn und dem Datum der Übermittlung der Meldung an das RKI zeigt, dass 50% der Fälle nach 7 Tagen übermittelt wurden. Für die meisten Fälle liegt diese Dauer zwischen 5 und 10 Tagen. Eine Analyse der zeitlichen Dynamik dieser Verteilung nach dem Tag des Eingangs am RKI ergab: Der Mittelwert stieg zwischen dem 12. und 21. März von 5,3 Tagen auf 6,6 Tage. Zwischen dem 22. und 28. März lag er bei etwa 8 Tagen, zwischen dem 29. und 31. März bei etwa 9 Tagen. Seit dem 1. April sinkt die Dauer von Erkrankungsbeginn bis zur Übermittlung der Meldung an das RKI eher wieder und lag zuletzt bei etwa 7,6 Tagen. Diese Verschiebungen werden bei der Imputation der fehlenden Werte des Erkrankungsbeginns berücksichtigt. Zur Durchführung der multiplen Imputation wurden (getrennt nach Geschlecht und Altersgruppe) jeweils 200 Realisationen aus der empirischen Verteilung der Dauer zwischen Erkrankungsbeginn und Übermittlungsdatum den Fällen ohne Erkrankungsbeginn zugeordnet. Die Differenz zwischen dem Übermittlungsdatum und diesem Abstand ergibt dann die verschiedenen Realisierungen des simulierten Erkrankungsbeginns. Damit erhalten wir eine Schätzung des Erkrankungsbeginns der bereits übermittelten Fälle (s. Abb. 2 „Erkrankungsbeginn imputiert“, S. 12). Erläuterung des Nowcastings Das Nowcasting2 erstellt eine Schätzung des Verlaufs der Anzahl von bereits erfolgten SARS-CoV-2-Erkrankungsfällen in Deutschland unter Berücksichtigung des Diagnose-, Melde- und Übermittlungsverzugs. Dazu ermitteln wir den Anteil an Fällen, der nach einer bestimmten Anzahl von Tagen, x, nach Erkrankungsbeginn gemeldet wurde. Dieser Anteil wird verwendet um die Anzahl der übermittelten Meldungen mit Erkrankungsbeginn x Tage vor dem Stand der Analyse zu korrigieren. Dabei muss beachtet werden, dass für erst kürzlich erkrankte Fälle nur diejenigen mit kurzen Diagnose-, Melde-und Übermittlungsabständen bereits erfasst wurden.3 Um zeitliche Veränderungen der Korrekturverteilung zu berücksichtigen, setzen wir die Informationen der aktuell gemeldeten Fälle in einen Kontext von Fällen innerhalb eines Fensters von 7 Tagen des Erkrankungsbeginns. Die obige Anteilsverteilung wird hierbei wie in Lawless 1994 3 beschrieben als Produkt bestimmter bedingter Wahrscheinlichkeiten geschätzt. Ein Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit, * Anmerkung: Eine Dauer von 0 Tagen oder sogar kleine negative Dauern lassen sich durch Fälle erklären, die im Rahmen einer Kontaktpersonen-Nachverfolgung eines bestätigten Falles getestet wurden und erst nach dem positiven Test Symptome entwickelt haben.
Bitte den ganzen Studie hier herunterladen um alles zu lesen